Der Hafen, der uns zusammenhält
Sandra Helena, 39 Jahre, Eidelstedt

Hamburg. Meine Stadt. Die Stadt, in der ich geboren wurde. Eine Stadt, die so viele Brücken hat wie keine andere auf der Welt. Eine Metapher für das echte Leben: Hamburg verbindet. Es verbindet Menschen, Geschichten, Kulturen. Es hat meine Familie zusammengeführt und zu dem gemacht, was wir heute sind. Meine Mutter wollte ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Ich war bereits auf dem Weg – noch in Stettin gezeugt, nicht ganz geplant. Ein kleines Leben, das in einer unsicheren Zeit begann, jedoch in Hamburg Wurzeln schlug. So wie meine Mutter damals nach Hamburg fand, hat Hamburg auch sie gefunden. Hier begegnete sie meinem Vater (nicht meinem Erzeuger), der bis heute eine prägende Rolle in meinem Leben spielt. Er wurde im heutigen Serbien, damals noch Jugoslawien, als Teil der ungarischen Minderheit geboren und kam mit seinen Eltern nach Hamburg. Sein Vater war einer der vielen Gastarbeiter, die mit ihren Familien blieben.
In dieser Stadt bin ich geboren und groß geworden. Hamburg ist meine Heimat. Hier kenne ich den Wind und den Regen im Gesicht. Das Wasser der Elbe und der Alster fehlt mir, wenn ich an anderen Orten der Welt bin. Hier habe ich meine Kinder zur Welt gebracht. Ihnen ihre Familiengeschichte zu erklären scheint kompliziert. Es Dritten zu erläutern – fast unmöglich. Ihre Großeltern und teilweise bereits die Urgroßeltern haben sich für Hamburg entschieden. Die Gründe waren verschieden: Hoffnung, Liebe, Zufall. Am Ende landeten alle im Norden. Heute können meine Kinder von sich behaupten, dass sie ein Hamburger Jung und eine Hamburger Deern sind. Wenn ich meinen Kindern etwas mitgebe, dann ist es das: Es spielt keine Rolle, welche Nationalität in deinem Pass steht. Es spielt keine Rolle, ob dein Urgroßvater Pole, Deutscher und dann wieder Pole war, ob deine Oma einen Italiener geheiratet hat oder dein Vater zwei Staatsbürgerschaften besitzt. Meine Kinder wissen, dass Herkunft purer Zufall ist. Grenzen kommen und gehen, die Menschen bleiben. Du entscheidest nicht, wo du geboren wirst, aber du entscheidest, wo du hingehörst. Und sie gehören hierhin. Nach Hamburg.
Das, was uns verbindet, ist nicht, woher wir kommen, sondern das, wo wir angekommen sind. Wenn jemand fragt: „Wo kommst du her?“, können sie einfach sagen: „Aus Hamburg.“ Und wenn jemand nach den Wurzeln fragt, dann bleibt die Antwort dieselbe. In einer Zeit, in der Unterschiede in verschiedenen Diskursen nicht mehr als bereichernd angesehen werden, werden uns immer unsere Gemeinsamkeiten verbinden. Hamburg, das bedeutet Brücken. Zwischen Menschen, Kulturen und Geschichten. Es bedeutet Ehrlichkeit, Trockenheit, Understatement. Es bedeutet Liebe zum Wasser, zum Franzbrötchen und zum Schietwetter. Es bedeutet: Heimat. Das, was uns eint, ist diese Stadt, die Heimat für so viele Geschichten ist. Diese Stadt, die unsere Geschichte mitschreibt. Hamburg ist mein Zuhause. Und Hamburg wird immer das Zuhause meiner Kinder sein, ganz egal, wohin es sie mal verschlägt. Hamburg ist der Hafen, der uns zusammenhält.