Ein Sehnsuchtsort
Tendai, 37 Jahre, Wilhelmsburg
Für mich hatte Hamburg schon immer eine besondere Bedeutung, schon als Kind. Hamburg war nicht nur der Ort, in den meine Eltern jeden Tag aus der kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, pendelten. Es war auch ein Ort, an dem eine große Anzahl von Menschen lebte, die wie ich aussahen (nicht weiß). Natürlich gab es auch in meiner kleinen Stadt Schwarze Menschen aus dem Kongo, Ghana oder Nigeria. Aber es gab keine üppig bepackten Afro-Shops, keine lauten und fröhlichen Gottesdienste, keine Feste mit wirbelnder Musik und Bergen von würzigem Essen. Es gab keine Schwarze Community, wie ich sie in Hamburg kennenlernte, wenn meine Eltern Freund*innen aus Simbabwe besuchten.
Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich diese Sehnsucht beschreiben kann, die mich seit früher Kindheit oft überfallen hat. Es fällt mir schwer, dafür Worte zu finden. Ich kann nicht erklären, warum ich mich so früh schon so sehr nach den “Landsleuten” meines Schwarzen Vaters sehnte, wenn ich mich genauso gut mit der Familie meiner weißen Mutter (der ich doch sehr nahe stehe) hätte begnügen können. Wahrscheinlich habe ich schon mit 4, 5 oder 6 Jahren gespürt – bevor ich überhaupt Worte dafür finden konnte –, dass ich für einige nicht ganz oder gar nicht dazugehörte. Ich habe wohl nach einem Ort mit Menschen gesucht, an dem sich das anders anfühlt. Und auch wenn Hamburg keine perfekte, diskriminierungsfreie Zone ist, habe ich hier vielleicht ein Stück dieses Gefühls von Zugehörigkeit gefunden.
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