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Zu den Geschichten

Wie kommen zwei Schwaben nach Hamburg

Franz und Hermann

30 Jahre in Hamburg

Vorausschicken muss ich, dass wir beide Gymnasiallehrer waren und 40 Jahre im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg standen.

Im Jahre 1981 hatte mein Mann seinen ersten Leistungskurs Chemie-Ernährungslehre an der Haus- und Landwirtschaftlichen Schule Heilbronn. Normalerweise treffen sich Lehrer und Schüler nach dem Abitur vielleicht mal noch sporadisch, engere Freundschaften entstehen daraus in der Regel nicht.

Die Zeit lief weiter – und wir haben über Heidelberger Freunde eine junge Frau kennengelernt, mit der wir uns gut verstanden und die uns zu ihrer Hochzeit im Sommer 1994 einlud. Natürlich wollten wir wissen, wer denn der glückliche künftige Ehemann sei – dessen Nachname war sehr ungewöhnlich, und mein Mann sagte dann, dass er mal vor vielen Jahren eine Schülerin gleichen Namens im Leistungskurs unterrichtet hatte –, es stellte sich heraus, dass es die Schwester des Bräutigams war.

Andrea hat nach dem Abitur in Münster und Berlin Architektur studiert und war inzwischen in Hamburg als Architektin tätig. Auf der Hochzeit kam es zum Wiedersehen, und sie lud uns ein, doch mal zu Besuch an Elbe und Alster zu kommen. Aus diesem ersten Besuch im Herbst 1994 entwickelte sich eine gute Freundschaft, so dass wir von nun an praktisch jedes Jahr in Hamburg zu Gast waren und die Stadt immer mehr lieben und schätzen lernten.
Andrea ist eine resolute Frau, die uns auch immer gerne auf ihre Baustellen in der HafenCity mitgenommen hat, die damals am Sandtorkai gerade im Entstehen war. Wir stiegen in den Rohbauten umher und konnten auch bei Hafengeburtstagen immer eine exzellente Aussicht von den obersten Stockwerken der Gebäude genießen und das Gewimmel Hunderttausender Besucher unten auf den Straßen beobachten.

Im Herbst 2004 kam dann plötzlich die Idee auf, man könne sich doch in Hamburg eine Wohnung kaufen, die als Kapitalanlage und zur Vermietung gedacht war. Eine Immobilie in der HafenCity sagte uns aber nicht wirklich zu: Einerseits waren die Preise damals bereits astronomisch hoch, andererseits gab es vor 20 Jahren kaum Infrastruktur in dem Neubaugebiet (was sich heute natürlich verändert hat). Zudem sind wir beide studierte Geographen, so dass wir auch Bedenken hatten, was denn passieren würde, wenn mal der „Blanke Hans“ zuschlagen sollte – als Geograph hat man vor der Natur meist einen deutlich höheren Respekt als der Normalbürger, weil man schlicht und einfach besser Bescheid weiß.
Aber das „Projekt Immobilie HH“ ließ uns nicht los, und so bestellten wir ein Abo der Wochenendausgabe des Hamburger Abendblattes und durchforsteten die Immobilienangebote. Besonders nachteilig war, dass die Zeitung natürlich frühestens am Montag darauf bei uns im Briefkasten gelandet ist und der aktuelle Immobilienmarkt da wohl bereits leergefegt war. Aber wie es das Schicksal wollte, sagte uns ein Inserat zu, das Dossier für die zugehörige Wohnung ebenfalls – und im April 2005 waren wir bei der Notarin am Niendorfer Markt. Danach war die Wohnung im schönen Harvestehude vermietet und wir dachten niemals daran, selbst nach Hamburg zu ziehen.

Doch es kam zu einem Sinneswandel: Im Februar 2014 hatten wir die Idee, die Hamburger Wohnung direkt am Isemarkt nach Eintritt in den Ruhestand doch besser selbst zu bewohnen. Gesagt – getan! Mit generalstabsmäßiger Vorbereitung haben wir den Bezug dieser wunderschönen Altbauwohnung vorbereitet, die Renovierung durchführen lassen und die Möbel gekauft. An Ostern 2016 war es dann so weit – endlich sind wir nach Hamburg gezogen und fühlen uns seither hier pudelwohl. Das „Häusle“ im Schwabenland haben wir nicht aufgegeben und pendeln seit nunmehr fast 9 Jahren „wie Nomaden“ im monatlichen Wechsel zwischen den Gestaden des Neckars und der Alster.

Nun kann man, wenn man hier in Hamburg lebt, nicht 24 Stunden am Tag in die Oper, ins Ballett, ins Museum, ins Kino oder zum Shoppen gehen. Mein Mann hat sich damals sofort bei einem renommierten Ruderclub an der Alster angemeldet … und über diesen Ruderclub haben sich im Laufe der Jahre nach dem „Schneeballsystem“ eine ganz Reihe wirklich sehr guter Freundschaften entwickelt, die das Leben in dieser schönen Stadt besonders lebenswert machen – eine Stadt ohne menschliche Kontakte ist eher eine sterile Angelegenheit. Und dass die Hamburger verschlossen und kühl sind, ist ein Vorurteil, das sich vielleicht im Süden der Republik verbreitet – wir können genau das Gegenteil berichten: freundliche, aufgeschlossene und tolerante Menschen, die einfach liebenswert sind und die man nicht mehr missen möchte. Nach 30 Jahren Hamburg-Erfahrung sind wir zwar immer noch Quiddjes, aber man hört es uns nur noch an leichten Nuancen unserer heimischen Mundart an. 🙂